Mittwoch, 13. März 2013

Rauch steigt auf...

Liebe Blogleser, die ihr immer noch treu auf die lange nicht aktualisierte Seite klickt,

als ich mir gerade Gedanken über den Blogtitel machte, dachte ich, dass es ja etwas besonders Reißerisches sein muss, wenn ich mich schon so lange nicht mehr mehr zu Wort gemeldet habe. Ja, etwas Aktuelles soll es doch sein, etwas, was die Blicke auf sich zieht. Das ist jetzt aber gar nicht mal so einfach. Während seit gestern Abend alle gebannt auf den Schornstein der Sixtinischen Kapelle starren, warten auch die Menschen in Israel darauf, dass auch bei ihnen "weißer Rauch aufsteigt" und sie eine neue Regierung bekommen. Ende Januar wurde gewählt und ganz im Gegensatz zu Deutschland, ist hier nach zwei Monaten immer noch nicht ganz genau absehbar, wie die neue Koalition aussieht.
Ansonsten möchte ich euch in diesem Blogeintrag mit in zwei Städte des Westjordanlands nehmen, wo auch hin und wieder pechschwarzer (Reifen-)Rauch aufsteigt, aber dann nie Gutes zu bedeuten hat. Nablus und Hebron waren in den vergangenen Wochen Ziel von Exkursionen, die ich mit Studium in Israel und dem Studienprogramm der Dormitio unternehmen konnte. Obwohl beide Städte immer ganz gut dabei sind, wenn es um Negativschlagzeilen geht, sind sie doch auch sehenswert und (momentan auch verhältnismäßig) ruhig.
Hebron ist eine der ältesten Städte der Welt und beherbergt der Überlieferung nach die Gräber der Erzväter- und mütter, Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob und Lea. Heute gibt es an der Stelle der Gräber eine große Anlage, die sowohl Juden als Muslimen die Möglichkeit zum Gebet (und Studium) bietet. Natürlich sind die Bereiche strikt getrennt und den jeweils anderen ist der Zugang zum eigenen Teil nicht gestattet. 
Wo man eigentlich denken sollte, dass diese Gräber auch eine touristische Attraktion sind und dort eine ähnlich belebte Stimmung wie an den heiligen Stätten in Jerusalem herrscht, ernüchtert einen die Lage vor Ort total. Eine Geisterstadt, übermäßige Militärpräsenz und viel Misstrauen und Vorsicht prägen das Stadtbild. Kein Wunder. Die Stadt ist in H1 und H2 geteilt, womit die palästinensischen Bürger von den israelischen Siedlern getrennt werden, um noch mehr Konflikte zu verhindern. Bei der Stadtbesichtigung konnten wir mitten auf einer der Hauptstraßen Hebrons gehen und mussten nur ab und zu einem Militärfahrzeug Platz machen. Die Läden an den Straßenseiten sind schon lange geschlossen und die Soldaten wurden sichtlich nervös, wenn man sich in der Gruppe zwei bis drei Minuten vor ihnen aufhielt. Es gäbe noch mehr solche Beispiele nur von den wenigen Stunden, die ich dort war, erzählen, aber ich denke es ist deutlich, dass hier wieder einer dieser Punkte ist, an dem man sich fragt, wo dieser Konflikt wohl endet - wenn überhaupt. Es regieren Verzweiflung und Misstrauen, statt Hoffnung und Vertrauen.

Willkommen in Nablus! Hier befinden wir uns mitten in Sichem, der Stadt, die der Überlieferung nach durch Jakob große Bedeutung erlangte und später für das Königreich Israel eine Zeit lang als Hauptstadt diente. Wie man sieht, ist vom einstigen Glamour nicht mehr so viel übrig, aber dass das alte Sichem mitten im heutigen Nablus liegt ist umso spannender. Hinter dem Zaun auf dem Bild befindet sich übrigens ein Flüchtlingslager - auch hier liegen wieder weit entfernte Vergangenheit und traurige Gegenwart räumlich nah beieinander, wie in Hebron. Wie die Blicke der Bewohner uns verrieten, sind Touristenbesuche auch eher selten, und Fotos von islamistischen Märtyrern an den Wänden zeugen davon, was hier schon los war...

So habt ihr abseits von den Nachrichten aus diesen Städten auch einmal einen anderen Eindruck bekommen. Einen Eindruck, der zwar nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass es dort hoch her gehen kann, aber auch einen Eindruck, dass in beiden Städten die Mehrzahl der Menschen dort nur ganz normal ihrem Alltag nachgehen wollen. Das geht bei den ganzen Negativschlagzeilen häufig vergessen...

Herzliche Grüße aus dem Frühsommer (ich sitze hier in kurzen Hosen),
euer Martin


P.S.: In der Zwischenzeit sind ja auch die Rauch-Starrer in Rom auf ihre Kosten gekommen...