Donnerstag, 11. Oktober 2012

Zwischen Orangen und dem Frühlingshügel



Hallo liebe Blogleser,

nach einer sturmfreien Woche in Jerusalem (mein Mitbewohner kehrt heute wieder zurück) ist es mal wieder Zeit für die aktuellsten Nachrichten aus meinem Ferien-Dasein. Gestern Abend, als ich wieder auf dem Weg zurück von Tel Aviv nach Jerusalem war, fiel mir auf, dass es das dritte Mal innerhalb einer Woche war. Damit ihr seht, dass man ein und dieselbe Stadt drei Mal innerhalb einer Woche besuchen kann und irgendwie doch immer anders wahr nimmt, hier meine drei Tel Aviven (wie Diva - Diven :-)):

Ein Beispiel für ein Haus der "Weißen Stadt": In diesem
Gebäude wurde am 14. Mai 1948 von David Ben Gurion
der Staat Israel ausgerufen. Momentan wird dort (zurecht)
renoviert.
Numero 1 - Tel Aviv, die Urlaubsstadt: Donnerstag letzte Woche stand mein erster Ausbruch aus Jerusalem bevor. Weil so ein Unternehmen fachkundig angeleitet werden muss und bei Ersttätern immer wieder nachgeholfen werden muss, habe ich mir mit Stefan einen ausgewiesenen Ausbruchs-Experten ins Boot geholt. Stefan war Mitstiftler in Tübingen, ehemaliger Studium-in-Israeler und macht jetzt nach seinem Examen ein Praktikum in einem Jerusalemer Archiv. Von Norden nach Süden durchquerten wir die Stadt entlang des Mittelmeers, wo den keuschen Jerusalemer so mancher blanke Fleck Haut schockierte. Weite Strände hinter der Skyline und strahlender Sonnenschein haben mich spätestens in den Ferienmodus versetzt. Am südlichsten Punkt unseres Marsches legten wir eine Mittagspause in einem Restaurant ein, in dem mich besonders eine sehr leckere, koschere Pizza anlachte. Danach ging es durch die bekannte "Weiße Stadt" zurück Richtung Norden. Die "Weiße Stadt", die meiner Meinung nach eher grau ist, ist von der UNESCO 2003 zum Weltkulturerbe erklärt worden und stellt die größte zusammenhängende Siedlung im Bauhausstil dar. Zitat aus dem Reiseführer (an dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank an Uwe und Antje): "Zum 100-jährigen Geburtstag von Tel Aviv wurden viele Häuser aus dieser Zeit renoviert, aber für einen großen Teil fehlt leider immer noch das Geld, sodass sich heute die Häuser in sehr unterschiedlichem Zustand präsentieren." Wie schön man das doch umschreiben kann...

Blick auf die Skyline mit Moschee. Auch im säkularen Tel Aviv gibt es
eine Vielfalt der Religionen.
Numero 2 - Tel Aviv, die "historische" Stadt: Vergangenen Dienstag durfte ich bei einer Exkursion des Theologischen Studienjahrs der Dormitio nach Tel Aviv und Jaffo zu Gast sein und mit einer ganz anderen Brille die Stadt kennen lernen, die mir zuvor zwei große Blasen und eine offene Ferse beschert hat. Man will ja nicht nachtragend sein und deshalb machten wir uns zusammen mit Tamar Avraham auf die Suche  nach den Anfängen des jüdischen Tel Avivs und des arabischen Jaffos (arab. Jaffa).  Auf dieser historisch-politischen Exkursion wurde uns gezeigt, wie die Zeit vor und um die Staatsgründung Israels 1948 an konkreten Orten ablief und wie es dabei auch der arabischen Bevölkerung erging. Jaffa war früher für seine Orangenplantagen bekannt, die sich in der Umgebung befanden (deshalb heißen die Orangenkekse ja auch "Jaffa Cake"). In der Zeit unter muslimischer Herrschaft brachte es die Stadt nicht zuletzt durch den wichtigen Hafen zu einem beträchtlichen Reichtum. Ende des 19. Jahrhunderts besiegelte gerade dieser Hafen einen Umbruch in der Geschichte Jaffas. Durch verschiedene Pogrome in Europa und den Zionismus kamen immer mehr jüdische Einwanderer über den Hafen in die Stadt. Manche dieser Einwanderer gründeten nur wenige Kilometer weiter nördlich dann das heutige Tel Aviv, was bald in direkter Konkurrenz zum beschaulichen Jaffa stand. Eine schwierige Geschichte zweier benachbarter Städte begann, was darin endete, dass das Ganze heute offiziell Tel Aviv-Jaffo heißt, aber der Junior den Senior längst geschluckt hat. Heute ist Jaffo besonders für seine Kunst bekannt. In einem Teil der Stadt reiht sich ein Kunstladen an den anderen und ist bekannt für seine originellen Straßenschilder.
Der schwebende Baum. Ja, das ist
auch Kunst.
Kunst im "Migdal Schalom": Der Teil eines riesigen modernen Mosaiks
lädt zum Suchen und Grinsen ein. Wer findet den Spaß?
Numero 3 - Tel Aviv, die Durchgangsstadt: Der kürzeste Aufentahalt in Tel Aviv war gestern, als ich dort auf dem Weg zu einer Vortragsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Herzliya (ca. 20 km nördlich von Tel Aviv) umsteigen musste und nicht nur ein bisschen ins Schwitzen kam. Das lag weniger an dem feucht-warmen Klima der Stadt, sondern viel mehr daran, dass die Bussteige sich nicht dort befinden wollten, wo ich sie vermutete. Stattdessen gaukelte mir der Bahnhof vor, der Zugang zu den anderen Bussteigen zu sein und schwupps war ich im Besitz eines Bahntickets nach Herzliya. Dummenglück: Das Bahnticket war im Vergleich zum Busticket um sagenhafte 1,40 Schekel (ca. 28 Cent :-)) günstiger und ich war 10 min schneller in Herzliya. Weil die Israelis aber die Gewohnheit haben, die Bahnhöfe eher außerhalb der Städte zu haben, durfte ich auch 40 min länger zu Fuß gehen. Episoden, die das Leben schreibt...

So viel zu Tel Aviv. Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen, aber es kommen vielleicht wieder sieben dürre Jahre, in denen ich noch über manche Story dankbar bin.

Nächtliche Grüße,
euer
Martin


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