Freitag, 2. November 2012

Alles Gute zum Alltag Teil 1

Liebe Blogleser,

hier bin ich wieder!
Nach der zweiten Uni-Woche tauche ich wieder auf, nachdem ich hin und wieder dachte, ich müsse ertrinken. Weil es hier aber seit ich hier bin außer vereinzelten Tropfen immer noch nicht geregnet hat, war das ja auch nur eine Frage der Zeit. Wenn diese Tage der November anfängt, dann steigt zumindest auch das Regenrisiko und damit die Vorfreude der lechzenden Erde und der Studenten, bei denen sich durch die Trockenheit quasi täglich genügend Staub zum Wischen im Regal und auf dem Schreibtisch findet.

Schreibtisch ist übrigens ein gutes Stichwort! Am Sonntag vor zwei Wochen begann für mich der Alltag an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Befreit vom Feriensprachkurs macht der Campus gleich noch einmal einen anderen Eindruck und es gibt innerhalb der hohen Hallen auf dem Scopusberg noch so einiges mehr zu entdecken als zuvor gedacht. Ich dachte mir für diese Woche, dass ich euch einmal einen Teil meines "ganz normalen Tages" (in Anführungsstrichen, weil es den einfach gar nicht geben kann) vorstelle und euch mit hineinnehme in die fabelhafte Welt des Martin K..
Hier beginnt mein Tag im Normalfall um 0.00 Uhr, meistens bekomme ich davon aber auch herzlich wenig mit. Außer die Bumm-Bumm-Restaurants von unten haben wieder eine besondere Aktion oder einfach mal wieder Lust auf einen starken Bass. Dann kann man sich drehen und wenden, wie man will, aber den Bass spürt man - zum Glück gewöhnt man sich mit der Zeit daran. Irgendwo zwischen 3.30 Uhr und 6.30 Uhr ist dann die Zeit in der das Bett und sein Belagerer die Ruhe der Nacht verspürt, bevor die Reinigungskräfte der Bumm-Bumm-Restaurants kommen und lautstark sauber machen. Dass man in Arabisch-Sprachkursen aufgerufen wird zu "kämpfen", weil "Arabisch Kämpfen ist" (sorry Nancy, hier verpulvere ich deine Anekdote), wird ab 6.30 Uhr klar. Aus voller Kehle wird durch den Innenhof gerufen und mit sicherlich nicht ganz gesunden Mitteln der Steinboden geschrubbt. An Sprachkurstagen brauche ich mich dann auch nicht mehr umzudrehen, weil um 6.55 Uhr eh der Wecker klingelt (hier mein Handy, wodurch mir die SWR 1-Nachrichten am Morgen natürlich fehlen).
Anschließend kommt das Frühstück. Brot, Butter und Marmelade sind gerade bei mir Fehlanzeige, weil ich mich im Moment an der Pita (Weißbrotfladen) ziemlich satt gegessen habe und alles andere Brot eher als Luxusgut und nicht als Grundnahrungsmittel vermarktet wird. Daher gibt es eben ein Früchtemüsli zum Frühstück: das ist gesund, lecker, versorgt einen mit genügend Zucker bis zum Mittagessen und ist ganz nebenbei auch erschwinglich. Der einzige Nachteil ist, dass in den wertvollen frühen Morgenminuten eben ein bisschen mehr Zeit dafür gebraucht wird als für ein Gsälz-Brot.
Danach geht es mit der Straßenbahn zur Uni. Hört, hört! Der Bus ist bei mir inzwischen für den Weg zur Uni stark in der Beliebtheitsskala gesunken. Das liegt weder am Fahrstil der Busfahrer, von dem ich schon einmal berichtet habe, noch an den teilweise etwas museumsreifen Modellen, die die Fahrgäste befördern, sondern hauptsächlich daran, dass es zu den Stoßzeiten zur Zitterpartie wurde. Immer, wenn ich zur Uni fahren wollte, konnte ich frühestens in den zweiten Bus meiner Linie einsteigen, weil die anderen schon zu voll waren und teilweise gar nicht mehr anhielten. Der zweite Negativ-Punkt für den Bus ist der Verkehr in Jerusalem. Gegenüber der Sprachkurszeit braucht der Bus gerade im Verkehr teilweise fast drei Mal so lange, weil sich immer wieder Staus bilden. Deshalb ist die Lösung: Die Straßenbahn; welche übrigens eine für Jerusalem bezeichnende Geschichte hat. Der Bau der einzigen Linie, die es hier gibt, dauerte mehrere Jahre und böse Zungen behaupteten schon, dass der Messias komme, wenn sie fertiggestellt ist. Nicht nur ein Mal mussten an manchen Stellen die schon fertig gestellten Schienen wieder herausgerissen werden, weil darum herum aus Versehen die falschen Pflastersteine verwendet wurden oder festgestellt wurde, dass die Schienen für die Bahn nicht passen. Als die Straßenbahn dann in Betrieb genommen wurde (jetzt kommt übrigens die zweite Geschichte aus der N[ancy]-Quelle), sollte man die ersten Wochen gratis fahren können, um es zu schaffen, dass die Straßenbahn von den Bürgern angenommen wird. Aus den ersten Wochen wurden die ersten Monate, weil es irgendwie nicht richtig funktionieren wollte, das Bezahlsystem zu installieren und konsequent zu betreiben. Diese Publicity-Maßnahme hat scheinbar gut gewirkt: Die Straßenbahn wird stark in Anspruch genommen, gerade vielleicht wegen der Nachteile des Busfahrens. Durch weniger und kürzere Stops an Haltestellen, weniger Ampeln und Unabhängigkeit vom sonstigen Verkehr ist die Straßenbahn bedeutend schneller und fährt noch dazu quasi fast vor meiner Haustür ab. Einziger Nachteil: Ab der Haltestelle sind es noch 15 min Fußweg bis zur Uni, wenn man stramm läuft. Aber bei Früchtemüsli und gesundem Lebensstil kann man das auch guten Gewissens unter Frühsport verbuchen...

So, ihr ahnt es: Der Schreibtisch ruft. Bis Sonntagmorgen muss ich für meinen Talmudkurs noch ein Dokument erstellen und online stellen, am Montag wartet der erste Test im Hebräisch-Sprachkurs und für mein Seminar über das Richterbuch wollen noch zwei Aufsätze gelesen werden. Der Alltag geht weiter und seine Beschreibung im Blog das nächste Mal auch!

Warme Grüße (gestern 33°C) aus Jerusalem und einen frohen Alltag,

euer Martin

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