Sonntag, 25. November 2012

Ein Land vor unserer Zeit

Liebe Blogleser,

die politischen Schwierigkeiten der Woche, wenn man sie so überhaupt nennen kann, liegen hinter mir. Kurz nach meinem letzten Blogeintrag bin ich zum Seminar an der Universität aufgebrochen. Auf meinem letzten Stück des Weges flog zuerst ein riesiger Militärhubschrauber ca. 20 m über mich hinweg, der ca. 200 m entfernt von mir gestartet war. Während ich überlegt habe, wie ich das in meinem nächsten Blogeintrag witzig verpacken könnte, heulten die Sirenen auf und ich wusste erst nicht, was um mich herum geschieht. Deshalb gibt's jetzt zwar keinen witzigen Spruch zum Hubschrauber, aber mal wieder eine Bestätigung dessen, was wir hier schon lange gelernt haben: Es kommt oft anders als man es sich im Voraus gedacht hat. Darüber ließen sich hier nicht nur über politische Querelen ganze Bücher schreiben, sondern auch Alltagsgeschichten ohne Ende. Aber jetzt ist es nun einmal so, dass ich gerade keine Zeit für Bücher schreiben habe und darum widme ich mich den Erzählungen und den Bildern unserer Exkursion vom vergangenen Wochenende nach Galiläa. Das macht auch definitiv mehr Spaß als Konfliktberichte!

Willkommen in Galiläa: Der Ausblick aus meinem Zimmer. Rechts der See Genezareth, links die Schweiz (so stand es
zumindest auf dem Straßenschild - wenn die Schweiz nur immer so nah wär...)

Hallo Urlaub! Eine Jugendherberge nach israelischem Standard, der sehr
hoch ist.
Los ging das Abenteuer am Donnerstag nach den letzten Seminaren um 16.30 Uhr. Naja, sagen wir besser so, da sollte es los gehen. 17.30 Uhr zeigte die beleuchtete Digitalanzeige im Auto, als die Nacht uns schon umhüllt hatte und die Motoren der Rennwägen -drei bis auf die Zähne aufgemotzte Minibusse - aufheulten. Dafür, dass unzählige Pferde unter der Motorhaube steckten, ging es im gemütlichen Trabschritt über die Straßen des Westjordanlands über das Tote Meer und das Jordantal hinauf zum See Genezareth. "Hinauf" übrigens im wahrsten Sinne des Wortes, weil das Tote Meer ja so tief liegt, dass es kaum noch tiefer geht. Gegen 20 Uhr erreichten wir dann auch unsere Luxusherberge in Porriya am Ufer des Sees, die uns gleich mit einem reichhaltigen und vor allem fleischhaltigen Essen überraschte. Dass man aus unserem Zimmer dann auch noch einen Ausblick auf den See hatte und das Frühstück einem Tränen in die Augen trieb, weil die Auswahl so groß war, geraten da fast schon zur Nebensache. So lässt sich es aushalten.

Am ersten Tag hatte Martin, unser Studienleiter, für uns ein straffes Programm entworfen, das auch dadurch eingehalten werden musste, weil die Nationalparks am Sabbatvorabend früher schließen. Wo man in Galiläa steht und geht und sich umdreht, sieht man alte Steine, die nur darauf warten, dass sie die Geschichte erzählen dürfen, die in ihnen steckt. Wo fängt man also an? Darüber lässt sich bestimmt streiten, aber wir für unseren Teil begannen in alttestamentlicher Zeit mit dem Tell Dan, der zum einen dazu einlädt, mehr über die Opferriten im Alten Testament zu erfahren, und zum anderen mit einer saftig grünen Umgebung seine Besucher erwartet.
Am damaligen Tempel von Dan wurde fleißig geopfert. Beispielsweise wurde in dem Bereich mit der modernen Metallkonstruktion das Opfertier geschlachtet und zum Opfer vorbereitet. Dieser Teil des Tempels war ganz selbstverständlich für das normale Volk unzugänglich und nur die Priester konnten dort ihre Arbeit verrichten. Wie das Ganze ablief, zeigt uns - wohl etwas unfreiwillig das Schild der israelischen Nationalparksbehörde: Das Tier wurde geschlachtet und auserlesene Teile oder komplett dann gegrillt. Beim Grillen haben aber die Priester (bewusst) den Garpunkt etwas weiter hinten angesiedelt, so dass vom Fleisch am besten nichts mehr übrig blieb. Was man dann noch vom Grillen hat? Naja, man selber nichts, aber immerhin die Gottheit.
Der weitere Tag wurde dann mit einem Besuch in Banias und nach windigem Mittagessen auch einem Besuch der Kreuzfahrerfestung Nimrod fortgesetzt. Zu beiden Stellen wäre wieder so unheimlich viel zu erzählen, aber ich möchte eure Geduld ja auch nicht überstrapazieren.

Drei Lektionen, die uns dafür die letzte Ausgrabung des Tages gelehrt hat:
1. Glaube nicht allen Informationen, die auf Schildern für Touristen angebracht wurden. Kurz und schmerzlos desillusionierte uns Martin, indem er uns sagte, dass vor der riesigen Höhle in Banias wahrscheinlich doch kein Augustus-Tempel stand.
2. Tore und Zäune sind nicht zur Absperrung da. Mitten in der Pampa enterten wir eine amerikanische Ausgrabung, die vermutlich den wirklichen Augustus-Tempel von Herodes (ja genau, der böse aus dem Neuen Testament) zeigt und allerhand darum herum zu bieten hat.
3. Im Gegensatz zu touristischen Tafeln sind Minenschildern ernst zu nehmen. Umgeben von Minenfeldern traute sich wirklich niemand, das abgesperrte Gebiet zu verlassen. Man  muss ja nicht alles gesehen haben...




Finde den Unterschied! Ja, zugegeben, die Perspektiven machen es nicht leicht, bei diesen antiken Puzzlespielen die Unterschiede zu finden, aber via Ausschlussprinzip kann ich euch schon einmal verraten, was den Mosaiken gemeinsam ist. Alle drei liegen in ehemaligen Synagogen aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. im Norden Israels. Momentle, da werden bei einigen die Alarmglocken schrillen: Bilder, Tierkreiszeichen auf Fußböden in Synagogen. Was ist da mit dem alttestamentlichen "Du sollst dir kein Bildnis machen."? Scheinbar ging das in der damaligen Zeit unter. Der kulturelle Einfluss der Römer ist wohl der größte Grund dafür gewesen, aber vielleicht hat es den Gemeindemitgliedern auch einfach nur gefallen. Auf jeden Fall haben sie wunderschöne Kunstwerke für die Nachwelt geschaffen...
 Auch landschaftlich hatte unsere Exkursion so einiges zu bieten. Wie hier in Gamla kam etwas Herr-der-Ringe-Gefühl auf - verbunden natürlich mit alten Steinen. Die "Rebellen" im jüdischen Krieg von 66-70 n.Chr. hatten dort eine richtige Hochburg. In einer Schlucht, die hier auf dem Foto nicht zu sehen ist, plätschert ein idyllischer Wasserfall und eine - na, was wohl? - Synagoge dort verknüpfte unser Wissen aus dem Talmud mit steinharten Fakten. Bänke in der Synagoge zeigten, dass dort die Männer nicht saßen, sondern lagen. Im Talmud steht dazu, dass man aber bitte auch immer auf der linken Seite liegen sollte. Warum? Na, ganz logisch. Wenn man auf der rechten Seite liegt, ist die Ordnung von Speise- und Luftröhre vertauscht und man verschluckt sich andauernd!
Verschlucken kann man sich, finde ich, auch bei diesem Ausblick! Beth Shean, die große römische Stadt, die zu ihrer Blütezeit bis zu 40 000 Bewohnern Schutz bot. Eine Einkaufsstraße, ein Theater, ein Badehaus und vieles mehr boten den Bürgern auch genügend Annehmlichkeiten. Dass wir uns richtig verstehen: Beth Shean ist natürlich um einiges älter als das was man noch von den Römern sieht, aber außer ein paar Tempeln haben die Ägypter ca. 2000 Jahre vorher einfach nicht so viel übrig gelassen.
Wie ihr euch denken könnt, habe ich jetzt trotz dieses langen Eintrags, einiges weg lassen müssen. So ist das eben mit den sieben fetten und den sieben dürren Jahren, aber vielleicht gibt es einmal Zeit das andere noch etwas aufzurollen, damit ihr noch mehr einen Einblick bekommt, wie viele Schätze dieses kleine Stück Land hier bieten kann.

Ich wünsche euch einen wunderschönen Sonntag und bis zum nächsten Mal.
Euer,
Martin

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen