Donnerstag, 2. Mai 2013

Wenn alle Brünnlein fließen...

Liebe Blogleser,

frei nach Heinz Erhardt kann ich euch berichten, dass mich die Muse geküsst hat. Woran ich das merke? Nun ja, erstens schreibe ich seit langer Zeit wieder Blog und - viel wichtiger - ich werde ganz feucht auf meiner Stirn. Vor allem letzteres kann auch andere Gründe haben. Zum Beispiel könnte es sein, dass ich einfach nicht aus meinem großen Bierglas trinken kann und mir das Wasser (!) ständig auf die Stirn läuft. Oder es wäre möglich, dass unsere achso tolle Klospülung, die durchläuft, wenn man nicht aufpasst, auf einmal so stark los legt, dass sie sogar nach oben spritzt. Oder nicht zuletzt besteht auch die Möglichkeit, dass hier schlichtweg der Sommer eingekehrt ist und ich außerhalb von klimatisierten Räumen ganze Musenschwärme um mich habe, die mir die Stirn abschl.... ich meine natürlich befeuchten.
Ich könnte jetzt viel berichten von Stress und Freude an der Uni, welche so nah wie Freud und Leid beieinander liegen, oder von dem Marathon an Feier- und Gedenktagen, die unseren Alltag wie einen Schweizer Käse aussehen lassen oder von der allmählich sich einstellenden Panik, weil die Zeit davonrast. Letztendlich ist alles veraltet und sozusagen kalter Kaffee, wenn man mal davon absieht, dass die Hitze gerade keinen kalten Kaffee zulässt. Aber ich glaube, ich beschränke mich auf zwei Alltagserzählungen, die wieder für die Liebenswürdigkeit und die Verrücktheit dieser Stadt sprechen und nebenbei noch ein paar witzige Einblicke in die Mentalität der Israelis geben.
Gestern ging ich auf den Markt einkaufen. Dazu muss man sagen, dass ich dafür entweder zu Fuß 15 Minuten der Jaffostraße entlang flaniere oder ebenso 15 Minuten mit der Straßenbahn fahre (die Gesamtzeit ergibt sich aus Warte- und Fahrtzeit). Vielleicht habe ich schon erwähnt, dass es hier gerade ziemlich warm ist. Falls nicht: Es ist gerade ziemlich warm und jeder tut gut daran, sich jeden unnötigen Meter zu sparen, also bin ich gestern im mobilen Kühlschrank meine 15 Minuten auf den Markt gefahren. Eingekauft war alles ziemlich schnell, schließlich will man mit Milch und Eiern nicht mehr Zeit als nötig zwischen dem Kühlregal und dem Kühlschrank verbringen. Um die Kühlkette mehr oder weniger geschlossen zu halten bin ich auch mit der Straßenbahn wieder zurück gefahren. Wie immer ballte sich die Menschenmasse an der Tür, obwohl es in den Gängen noch genügend Platz gegeben hätte. Etwas abgelenkt von Rammbock-Kinderwägen, die ganz automatisch die Menschenmasse in die Bahn hineingeschoben haben, entdeckte ich genau vor mir einen orthodoxen Juden, der mit ein paar Kärtchen und einem schwarzen Stift hantierte. "Nun", dachte ich, "der wird bestimmt sich irgendwas Wichtiges aufschreiben, damit er es nicht vergisst." Nach und nach schienen mir aber die Bewegungen selbst für Hebräisch etwas zu schwungvoll, bis ich bemerkte, dass der gute Mann malt. Um irgendwelche Gespinnste, was er wohl malt, einfach mal abzukürzen, komme ich gleich zum Ergebnis: Er malte einen jungen, gutaussehenden Herrn, der im Moment Kurzhaarschnitt trägt, seit einer Woche ein bisschen Flaum im Gesicht hat, eine Brille trägt und auch ansonsten eine blendende Erscheinung abgibt. Tipps, auf wen diese Beschreibung passen könnte, können gerne per Mail an mich abgegeben werden. Der Gezeichnete hat sein Portrait natürlich gratis mit nach Hause bekommen.
Die zweite Geschichte könnte man umschreiben mit: "Wenn der Tag so anfängt,...". Montagmorgen diese Woche, ca. 8.23 Uhr. Kaffee am Morgen wird in seiner Wirkung völlig überschätzt. In einem grün-weißen Egged-Linienbus steigt der Adrenalinspiegel in unermessliche Höhen und der Begriff "Höllenfahrt" wird mit noch vorhandenem Leben gefüllt. Jeden Morgen liefe es super, wenn ja wenn doch da nicht diese unglückselige Kreuzung kurz vor Fahrtende wäre. Für alle Jerusalem-Kundigen: Ich spreche von der Kreuzung Aharon Kazir Street - University Boulevard (der nach Jericho führt). Morgens halb neun in Jerusalem fängt der Sprachkurs an und umso blöder, wenn man 8.23 Uhr an dieser Kreuzung steht und die lieben vorüberfahrenden Landsleute ihr Gemüt nicht im Griff haben. Klar, grüne Ampeln sind zum Passieren da. Aber auch andere Leute, die später grün haben, möchten eigentlich auch die Kreuzung passieren und nicht auf eine riesige Blechkarawane blicken, die mitten auf der Kreuzung steht und mit der folgenden Grünphase weiteren Zuwachs erwartet. So vergingen drei Ampelphasen, ohne dass sich großartig etwas an der Position des Busses an der Ampel geändert hätte, wie auch, davor standen ja überall Autos. Zum Glück saß ich am Fenster andernfalls hätte ich wohl folgende Gelegenheit nie zum Erzählen gehabt: Eine junge Frau in ihrem roten Auto drückt bei der vierten Ampelphase nicht nur auf die Tube, sondern auch auf die Hupe. Während sie schimpfend und mittlerweile im Gesicht so rot wie ihr Auto mit einer Hand am Steuer und mit der anderen auf der Hupe einfach einmal auf die Blechlawine zufuhr, riss auf wundersame Art und Weise doch für sie eine Lücke auf, die sie natürlich immer noch hupend auch für sich nutzte. Spätestens das war der Moment, in dem ich beschloss, eines Tages ein Buch über Erlebnisse im israelischen Straßenverkehr zu schreiben - ein Bestseller wird das!
Achso ja, das Ende der Geschichte... Das ist weniger erfreulich, denn der Bus brauchte noch einmal eine Ampelphase länger und ich kam natürlich zu spät in den Sprachkurs...

So, dieses Mal gab es jede Menge Text, aber mit diesen kleinen, knackigen Stories aus einem verrückten Leben in diesem Land, habe ich euch hoffentlich mehr unterhalten als mit harten Fakten zum Unabhängigkeitstag und Studententag...
Ein schönes Wochenende euch und viele hitzige Grüße aus Jerusalem,
euer Martin

Mittwoch, 10. April 2013

Wer hat an der Uhr gedreht,...?


Liebe Blogleser,

Uhrumstellungen gibt es überall. Nicht nur in Deutschland wurde während meiner blogabstinenten Zeit die Uhr umgestellt, sondern auch in Israel. Das Land ändert jeweils nichts daran, dass ich diese vermeintlich Strom sparende Naturrhythmusstörung immer noch nicht verstehen kann. Wenige Tage lang befanden wir uns zumindest zeitmäßig früher im Sommer als ihr in Mitteleuropa - vom klimatischen Sommer sprechen wir lieber nicht, ich möchte euch nicht zu sehr deprimieren. 
Wie gesagt, hat diese Uhrumstellung nicht nur die Abende hier wieder länger gemacht, sondern auch an sich eine neue Zeit eingeläutet. Vergangenen Dienstag rechnete mir meine Mutter beim Skypen vor, dass es jetzt noch sage und schreibe 13 Wochen bis zu meiner Rückkehr sind - gerade, wo man denkt, dass alles läuft. Endspurt ist also angesagt. 
Die letzte Runde zeichnet sich auch damit aus, dass die Freunde vom anderen deutschsprachigen Studienprogramm in der Dormitio teilweise schon wieder zurück in Deutschland sind oder zumindest auf dem Sprung dorthin. Während der Zeit von Nancys Besuch zu und nach Ostern durften wir in der Dormitio schöne (ja, das geht) Abschiedsabende und beeindruckende Gottesdienste erleben. In der langen Osternacht, einem der schönsten Gottesdienste, die ich je erlebt habe, die um drei Uhr morgens begann, kurz nach sechs in der Früh endete und nahtlos ins Frühstück überging, schien die Zeit stillzustehen. Beim Orgelnachspiel im Abschiedsgottesdienst der Dormitianer hätte ich sie am liebsten angehalten - Pater Ralph ließ aus dem Nichts mein Lieblingsorgelstück, die Toccata der 5. Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor, erklingen und brachte mich zum Staunen wie ein kleines Kind.

Eine Woche vor der Karwoche machte sich ein Großteil von Studium in Israel auf zur anderen Seite des Jordans. In Jordanien warteten auf uns viele neue Eindrücke, eine beeindruckende Landschaft, eine andere Kultur und ... wer hätte es gedacht: eine andere Zeitzone.
Man blickt über den Fluss, bzw. das Rinnsal, sieht die Gilboa-Berge und den See Genezareth aus einer anderen Perspektive und ist eine Stunde in der Zukunft - verrückter geht es nicht. Über meinen Jordanienaufenthalt könnte ich ganze Bücher schreiben. Weil ich heute aber nach überstandener Talmudprüfung und kurzer Nacht euch und mir ausführliche Berichte ersparen will, gibt es ein paar Impressionen aus dem Land jenseits des Rinnsals:
Der See Genezareth - aus der anderen Richtung von Gadara aus

Alte Steine in Gerasa - Eine beeindruckende römisch-hellenistische Stadt
Liebevoll ausgestellte Relikte der Religionsgeschichte...
Machiräus - dort wurde der Überlieferung nach Johannes der Täufer gefangen gehalten. Im Hintergrund das Tote Meer.
Einst schaute dort Mose das Land Kanaan, heute thront dort majestätisch oberschwäbische Baukunst. Der Berg Nebo.
Karge Wüstengegend und doch so eindrucksvoll. Das Arnon-Tal auf dem Weg nach Petra.
Die Schwarze Iris - die Nationalblume Jordaniens

Perspektivwechsel: Jerusalem aus kleinen Steinchen
Na? Beeindruckt? - Zurecht!
Ihr wundert euch vielleicht, wieso ich die Bilder nicht in den Text einbette. Eigentlich wollte ich das ja, aber einerseits passt das ja auch gar nicht zu den andächtigen Beschreibungen der Gottesdienste und andererseits bin ich technisch einfach unfähig heute Abend. Vielleicht klappt es das nächste Mal wieder.
Auf alle Fälle habe ich eigentlich noch unzählige Blogeinträge in Petto, aber eines nach dem anderen...

Ich schicke euch viele Grüße in die Heimat. 
Euer Martin

Mittwoch, 13. März 2013

Rauch steigt auf...

Liebe Blogleser, die ihr immer noch treu auf die lange nicht aktualisierte Seite klickt,

als ich mir gerade Gedanken über den Blogtitel machte, dachte ich, dass es ja etwas besonders Reißerisches sein muss, wenn ich mich schon so lange nicht mehr mehr zu Wort gemeldet habe. Ja, etwas Aktuelles soll es doch sein, etwas, was die Blicke auf sich zieht. Das ist jetzt aber gar nicht mal so einfach. Während seit gestern Abend alle gebannt auf den Schornstein der Sixtinischen Kapelle starren, warten auch die Menschen in Israel darauf, dass auch bei ihnen "weißer Rauch aufsteigt" und sie eine neue Regierung bekommen. Ende Januar wurde gewählt und ganz im Gegensatz zu Deutschland, ist hier nach zwei Monaten immer noch nicht ganz genau absehbar, wie die neue Koalition aussieht.
Ansonsten möchte ich euch in diesem Blogeintrag mit in zwei Städte des Westjordanlands nehmen, wo auch hin und wieder pechschwarzer (Reifen-)Rauch aufsteigt, aber dann nie Gutes zu bedeuten hat. Nablus und Hebron waren in den vergangenen Wochen Ziel von Exkursionen, die ich mit Studium in Israel und dem Studienprogramm der Dormitio unternehmen konnte. Obwohl beide Städte immer ganz gut dabei sind, wenn es um Negativschlagzeilen geht, sind sie doch auch sehenswert und (momentan auch verhältnismäßig) ruhig.
Hebron ist eine der ältesten Städte der Welt und beherbergt der Überlieferung nach die Gräber der Erzväter- und mütter, Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob und Lea. Heute gibt es an der Stelle der Gräber eine große Anlage, die sowohl Juden als Muslimen die Möglichkeit zum Gebet (und Studium) bietet. Natürlich sind die Bereiche strikt getrennt und den jeweils anderen ist der Zugang zum eigenen Teil nicht gestattet. 
Wo man eigentlich denken sollte, dass diese Gräber auch eine touristische Attraktion sind und dort eine ähnlich belebte Stimmung wie an den heiligen Stätten in Jerusalem herrscht, ernüchtert einen die Lage vor Ort total. Eine Geisterstadt, übermäßige Militärpräsenz und viel Misstrauen und Vorsicht prägen das Stadtbild. Kein Wunder. Die Stadt ist in H1 und H2 geteilt, womit die palästinensischen Bürger von den israelischen Siedlern getrennt werden, um noch mehr Konflikte zu verhindern. Bei der Stadtbesichtigung konnten wir mitten auf einer der Hauptstraßen Hebrons gehen und mussten nur ab und zu einem Militärfahrzeug Platz machen. Die Läden an den Straßenseiten sind schon lange geschlossen und die Soldaten wurden sichtlich nervös, wenn man sich in der Gruppe zwei bis drei Minuten vor ihnen aufhielt. Es gäbe noch mehr solche Beispiele nur von den wenigen Stunden, die ich dort war, erzählen, aber ich denke es ist deutlich, dass hier wieder einer dieser Punkte ist, an dem man sich fragt, wo dieser Konflikt wohl endet - wenn überhaupt. Es regieren Verzweiflung und Misstrauen, statt Hoffnung und Vertrauen.

Willkommen in Nablus! Hier befinden wir uns mitten in Sichem, der Stadt, die der Überlieferung nach durch Jakob große Bedeutung erlangte und später für das Königreich Israel eine Zeit lang als Hauptstadt diente. Wie man sieht, ist vom einstigen Glamour nicht mehr so viel übrig, aber dass das alte Sichem mitten im heutigen Nablus liegt ist umso spannender. Hinter dem Zaun auf dem Bild befindet sich übrigens ein Flüchtlingslager - auch hier liegen wieder weit entfernte Vergangenheit und traurige Gegenwart räumlich nah beieinander, wie in Hebron. Wie die Blicke der Bewohner uns verrieten, sind Touristenbesuche auch eher selten, und Fotos von islamistischen Märtyrern an den Wänden zeugen davon, was hier schon los war...

So habt ihr abseits von den Nachrichten aus diesen Städten auch einmal einen anderen Eindruck bekommen. Einen Eindruck, der zwar nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass es dort hoch her gehen kann, aber auch einen Eindruck, dass in beiden Städten die Mehrzahl der Menschen dort nur ganz normal ihrem Alltag nachgehen wollen. Das geht bei den ganzen Negativschlagzeilen häufig vergessen...

Herzliche Grüße aus dem Frühsommer (ich sitze hier in kurzen Hosen),
euer Martin


P.S.: In der Zwischenzeit sind ja auch die Rauch-Starrer in Rom auf ihre Kosten gekommen...

Mittwoch, 20. Februar 2013

KuK (Kreuzfahrer und Kraniche) in Israel

Liebe Blogleser,

immer wieder führten mich die Wege in den vergangenen drei Monaten in den Norden. Seit der Exkursion des Programms im November war ich ganze drei Mal noch einmal in Galiläa, im Golan und am Mittelmeer. Man könnte wahrscheinlich wochenlang den Blog damit füllen, was ich dort gesehen und erlebt habe, aber heute möchte ich euch zu ein paar Stellen führen, die vielleicht nicht in jedem Touri-Programm zu finden sind.

Die Kreuzfahrerfestung Belvoir (französisch oder so ähnlich für "schöne Sicht") gehört wieder einmal zu den Orten, bei denen der Name Programm ist. In Galiläa erhebt sie sich etwas südlich vom See Genezareth über dem Jordantal. Majestätisch thront die Burg, bzw. das was von ihr übrig blieb, auf dem Bergrücken und ermöglicht eine atemberaubende Aussicht über das Jordantal bis zum See Genezareth in nördlicher Richtung und bis weit nach Jordanien in östlicher Richtung. Obwohl die Burg in der Kreuzfahrerzeit nur sehr kurz Bestand hatte, zeugen ihre Ruinen heute von einer gut gesicherten Anlage. Der charakteristische, schwarze Basaltstein, der häufig in Galiläa zu finden ist, muss die Burg zu einem großen, schwarzen Ungetüm in der Landschaft gemacht haben.
 
Foto von Nancy: Das große Kranichlager
 Der Norden hat aber nicht nur alte Steine zu bieten, sondern auch eines der größten Naturspektakel, die ich bisher gesehen habe. Jedes Jahr sind die Kraniche auf ihrer Rundreise und jedes Jahr machen sie auch im Norden Israels Halt. Diese Kraniche haben einen Weg von einigen Tausend Kilometer hinter sich, wenn sie wenige Wochen im Hule-Becken Rast einlegen. Ihr jährlicher Ausflug führt die Vögelein durch Europa von der Straße von Gibraltar bis nach Russland, von Russland über Israel nach Nordafrika und von dort wieder Richtung Straße von Gibraltar. Im Hule-Becken sammeln sie sich zu Tausenden und werden dort von Vogelfreunden beobachtet und gefüttert. Gefüttert deshalb, weil die Bauern der Region ziemlich genau wissen, was diese Kranichschwärme als Nächstes verschlingen, wenn ihnen nichts Fressbares mehr in den Schnabel fliegt - die Feldfrüchte der Bauern. In Galiläa scheint die Ankunft der Vögel wahre Volksfeststimmung auszulösen, auf jeden Fall pilgern die Menschen ebenfalls zu Tausenden (ja, ich weiß, es ermüdet mit den Tausenden, aber es war wirklich so!) zu den Beobachtungsständen. Eine kleine, aber feine Info noch zum Schluss: Kraniche haben ihr Leben lang nur einen Partner!
Foto von Nancy: Kraniche am Fuße des Hermon
Soweit für heute, schließlich war dieser Blogeintrag nicht mehr als der pure Zeitvertreib bis sich meine Eltern nach ihrer Rückkehr aus Bethlehem melden, damit wir unseren letzten Abend für die nächsten viereinhalb Monate gemeinsam verbringen können.

Euch nur das Beste und bis bald,
euer Martin

Mittwoch, 13. Februar 2013

Nun will der Lenz uns grüßen


Liebe Blogleser,

vieles hat sich wieder getan seit meinem letzten Blogeintrag. Nun gut - das ist auch keine Kunst, wenn man ihn mal wieder drei Wochen lang verwahrlosen lässt. Tatsache ist, dass ich in der Zwischenzeit wieder einmal Besuch hatte - dieses Mal von einer guten Freundin aus Tübingen - und dass morgen meine Eltern mit einer Reisegruppe für eine Woche nach Israel kommen. Es gibt also viel Grund zur (Vor-)Freude.

Bei Taybeh im Westjordanland, wo übrigens die einzige Brauerei im
Nahen Osten steht, die nach dem deutschen Reinheitsgebot braut.
Vieles hat sich auch getan, wenn man in die Natur hinausschaut. In ganz Israel grünt und sprießt es. In ganz Israel? Nein. In den Wüsten klappt das immer noch nicht. Trotzdem möchte ich euch mit diesem Blogeintrag ganz im Kontrast zum vorigen mit auf die Reise durch Israel und Palästina nehmen und euch zeigen, wieso es leere Worte sind, wenn die Einwohner des Landes davon sprechen, dass es keinen wirklichen Frühling gibt.
Der Gan Ha-Schloscha (Der Garten der Drei) ist nach drei jüdischen
Männern benannt, die im Krieg dort getötet wurden.
Ja, ihr seht hier schon richtig! Der Rasen ist bereits zum ersten Mal gemäht, das Gras ist saftig grün und die Bäume sind im Vollbesitz ihrer Blätter. Nun gut, das ist zum Einstieg vielleicht ein etwas unpassendes Bild, weil es im Gan Ha-Schloscha aufgenommen wurde. Dort gibt es heiße Quellen, die die Wassertemperatur sowohl im Winter als auch im Sommer bei angenehmen 28°C halten. Mit diesem paradiesähnlichen Garten begann am Freitagvormittag unsere kleine Urlaubsfahrt in den Norden. Abseits der Jerusalemer Winde freuten wir uns am Baden und ließen uns von der Sonne trocknen. Nach Blockseminar, Beginn einer kleinen Hausarbeit und Lernen für die Talmud-Prüfung war es die pure Erholung, sich den Pelz aufzuwärmen und einfach mal nichts tun.
Weiter nordwärts angekommen, kann man erkennen, dass der Gan Ha-Schloscha keine Illusion war. Um mein Trauma der abgesperrten Straße nach Hippos zu bewältigen, wanderten wir im Sonnenuntergang vom Fuß des Golan bis hoch nach Hippos und sahen dabei dieses (für israelische Verhältnisse) Blumenmeer. Die Regenfälle, die es im Januar nicht zu knapp in Galiläa gab, verhalfen der Natur zu dieser Pracht und ganz nebenbei noch dem See Genezareth zu seinem höchsten Pegelstand der vergangenen Jahre. Wenn man bedenkt, dass ein großer Teil des israelischen Trinkwassers aus dem See kommt, versteht man, wieso der Wasserspiegel so aufmerksam beobachtet wird!

In der Hoffnung, jetzt in euch genügend Neid geweckt zu haben, kann ich mich jetzt wieder beruhigt der jüdischen Traditionsliteratur widmen.
Mit dem Sonnenuntergang und See Genezareth (und Biff) im Rücken und einem nur vom Wind bedingtem Seitenscheitel verabschiede ich mich wieder bis zum nächsten Mal,
Euer Martin

Dienstag, 22. Januar 2013

Ganz in weiß, mit einem...

...Bluuuuumenstr - naja, lassen wir das mal...

Liebe Blogleser,

herzlich Willkommen im neuen Jahr, das genauso verrückt angefangen hat, wie das alte aufgehört hat. So ist das eben in Jerusalem...
Während man am Heiligabend in Süddeutschland sich besten Biergartenwetters erfreute, schnatterte unsereins in der gar nicht so stillen Nacht immer noch trotz Unterhemd, Pullover, Fleecejacke und Regenjacke. Wer jetzt denkt, dass das kältemäßig das Ende der Fahnenstange war, darf an dieser Stelle eines Besseren belehrt werden.
Man kann es nicht mit Worten beschreiben, was vor zwei Wochen in Jerusalem vor sich ging:
Nancys Blick vom Österreichischen Hospiz aus über die Altstadt.
Dienstag: Es schüttet wie aus Kübeln. Nancy, die sich trotzdem nicht abhalten lässt, ständig vor die Tür zu gehen, reiht schon ihr drittes Paar Socken an diesem Tag am Wäscheständer auf. Die Schuhe dampfen vor dem glühenden Heizstrahler aus und Teeduft durchzieht die Wohnung. Ja, so sieht eigentlich der israelische Winter aus. Im Sturm, der die sintflutartigen Regenfälle begleitete, kapitulierte so manches Dach in Jerusalem und das Wasser tropfte überall dorthin, wo es beim besten Willen nicht hingehört. Ich schaue in mein Mailpostfach und finde eine Mail von der Uni vor, in der ich vor dem Schnee gewarnt werde. Weil ich es den werten Damen und Herren ja nicht glauben könnte, hängen sie mir extra eine Homepage mit der Wettervorhersage für Jerusalem an: Donnerstag, 5-15 cm Schnee in Jerusalem. Als wäre das nicht lächerlich genug, erhalten wir noch den Hinweis genügend Essen für zwei Tage im Haus zu haben - liebe Freunde, wegen 5-15 cm fangen wir auf der Alb nicht einmal an zu schippen...
Bild von Nancys Morgenspaziergang. Die Erlöserkirche
im Schneegestöber.

Mittwoch: Es ist schon bedeutend kühler und zwischen die Regentropfen mischt sich das ein oder andere Hagel- oder Graupelkörnchen. Weil ich mein Projekt, das ich am Folgetag abgeben sollte, immer noch nicht fertig geschrieben habe, gönne ich mir einen unifreien Morgen und nehme mir vor, nachmittags zur Uni zu fahren. Nancy, natürlich wieder völlig aufgeweicht, kommt in mein Zimmer, während wieder eine Mail von der Uni hereinflattert: Ab 16 Uhr fällt die Uni wegen erwarteten Schnees aus! Mein erstes "Das glaubt dir niemand", das ich Mittwoch und Donnerstag noch öfter sagen sollte, ertönt: Wo gibt es sowas? Schneefrei, wegen Noch-Nicht-Schnees. Als Nancy und ich gegen 18 Uhr das Haus verlassen flockt es tatsächlich schon ordentlich, aber die Straßen sind immer noch so schwarz wie die Nacht um uns. Doch dann - oh Wunder -, als wir wieder nach Hause kommen, ist vom Asphalt nichts mehr zu sehen. Junge Israelis veranstalten schon die ersten Schneeballschlachten und ich weiß sicher: Morgen früh kann ich ausschlafen!
Donnerstag: Tatsächlich fand sich schon vor Unibeginn die Notiz auf der Homepage, dass wegen Schnees die ganze Universität geschlossen bleibt. Nett. Als ich aufstehe, kommt immer noch kein Licht in mein Zimmer, weil mein Dachfenster so dicht mit Schnee bedeckt ist, dass die schwachen Sonnenstrahlen keine Chance haben. Während ich noch am Warmlaufen bin, was bei zwei Heizstrahlern und gefühlten 5°C in der Wohnung erheblich erschwert ist, kommt Nancy - wieder einmal - nass und durchgefroren von ihrer Fototour durch Jerusalem zurück. Mittags zeichnet sich bei mir schon der Beginn meiner Erkältung ab, aber trotzdem will ich wenigstens auch noch ein paar Tauwetterbilder machen. Durch neu entstandene Wadis in der Altstadt und von einer zur Pfütze zur anderen ist es zwar weniger lustig, aber es hat sich gelohnt. Ich habe Jerusalem im Schnee gesehen.
Tauwetter am Donnerstagmittag.
So viel von mir. Es gäbe aus den drei Wochen noch einiges mehr zu erzählen, aber ihr wisst ja: die sieben fetten und die sieben dürren Jahre... Wohl dem, der Vorräte (und das nicht nur für zwei Tage) hat.

Viele Grüße aus dem jetzt wieder frühlingshaften Jerusalem,
euer Martin