Freitag, 24. August 2012

Unialltag - Freizeit 2:3 (1:1)

Liebe Blogleser,

passend zum heutigen Bundesligastart, gibt es den Blogeintrag als Spielbericht. Hier in Jerusalem wurde nämlich auch unter der Woche eifrig die deutsche Fußballwelt verfolgt und beim Nachdenken über die Woche fiel mir auf, dass sie tatsächlich einem kleinen Pokal-Krimi glich, bei dem am Ende doch der Richtige gewonnen hat.

Vor dem Spiel: Beste Rahmenbedingungen für die Partie zwischen dem Unialltag und dem Freizeitleben. Strahlender Sonnenschein, ein Badezimmer der Wohnung, das nach langwieriger Putzaktion wieder in neuem Glanz erstrahlt und ein schöner Gottesdienst mit anschließendem Empfang mit Chili con carne (mein zweites Mal Fleisch in Israel!) in der Dormitio Abtei schaffen die optimalen Voraussetzungen für das Match der Woche.
5. Minute: TOR für den Unialltag: Was für ein Schock für die Freizeit: Mit einem frühen Test am Sonntagmorgen, bei dem wir Studierenden wieder auf Herz und Nieren geprüft wurden, geht der Unialltag in Führung.
15. Minute: Eine 100 prozentige Chance! Ein Spieleabend bei einem Kommilitonen in der Altstadt, bei dem wir "Junta" inoffiziell zum Spiel des Jahres gekürt haben, macht Lust auf mehr und zeigt, dass die Freizeit, trotz frühem Rückstand, noch im Spiel ist. 
Blick auf die Davidsstadt, bzw. das, was von ihr übrig
geblieben ist.
35. Minute: AUSGLEICH! Mit einem freien Tag, weil an der Hebrew University Reparaturen an der Stromversorgung stattfanden, zieht die Freizeit mit dem Unialltag gleich. Da wir den Tag nicht ungenutzt sein lassen wollten, beschlossen wir, einen Ausflug in die Davidsstadt zu machen. Die Davidsstadt ist eine sprichwörtliche Fundgrube für Archäologen und erstreckt sich am Rand des Tempelbergs zwischen Ostjerusalem und der Al-Aqsa-Moschee. Viele Archäologen gehen davon aus, dass die Anfänge Jerusalems (und damit an sich auch noch um einiges früher als eine mögliche Stadt Davids) an dieser Stelle liegen, da die Gihonquelle, die in diesem trockenen Land wichtig für eine neue Stadt war, auch heute noch dort sprudelt. Ein besonderes Erlebnis der Davidsstadt ist der Hiskiatunnel: Wie in 2. Könige 20,20 angedeutet, soll der König Hiskia einen Tunnel gebaut haben, mit dem er das belagerte Jerusalem mit Wasser versorgen wollte. Heute ist der Tunnel ca. 530 m lang, recht eng und stellenweise auch niedrig. Trotzdem ist er begehbar, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollten.
Licht am Ende des Hiskia-Tunnels.
Bei diesem längst verdienten Ausgleich gab es nur einen Wermutstropfen: Ein Spieler verletzte sich am Fuß, weil er so dumm war und die nötigen Regeln zum Begehen des Tunnels nicht einhielt - ja, das war ich...Aber es gibt kein Grund zur Sorge, inzwischen ist es schon fast verheilt. Dennoch wird Jerusalem wahrscheinlich bleibende Spuren an meiner linken Sohle hinterlassen.
45. Minute: Der Unialltag war die letzten Spielminuten wieder spielbestimmender. Der Schiedsrichter pfeift zur Halbzeit.
Blick auf den Tempelberg mit Felsendom,
Al-Aqsa-Moschee und Klagemauer ungefähr unter der
Kuppel des Felsendoms.
56. Minute: Dicke Chance für die Freizeit: Am Mittwochabend fand die Fortsetzung unseres Begleitprogramms von Studium in Israel statt. Wir wurden weiter in das jüdische Gebetsbuch eingeführt und machten uns Gedanken über einen der wichtigsten Sätze des Judentums, das "Höre, Israel". Was mich an dieser Stelle bewegte, war ein besonderer Moment: Wir saßen im Refektorium der evangelischen Erlöserkirche, lasen im jüdischen Gebetsbuch auf Hebräisch und Englisch und von draußen drang der Klang des rufenden Muezzin herein - das ist Jerusalem! Multikulturell und das auf engstem Raum.
80. Minute: TOR für den Unialltag: Ist das die Vorentscheidung? Mit dem ersten Teil des Tests zur Sprachkurs-Mitte, geht der Unialltag zehn Minuten vor Abpfiff in die Verlängerung.
84. Minute: Hier ist überhaupt noch nicht alles klar: Ein EIGENTOR des Unialltags: Mit eigenem Improvisationstheater auf Hebräisch und dem Singen moderner hebräischer Lieder mit toller Klavierbegleitung schießt der Unialltag die Freizeit noch einmal in die Begegnung zurück. 
90.+2. Minute: TOR für die Freizeit. Ist das denn die Möglichkeit! Die Freizeit dreht das Spiel in allerletzter Minute. Spielentscheidend war der Besuch des Jahrgangs auf dem Bierfestival in Jerusalem gestern Abend. Zum Ausklang einer anstrengenden Woche genossen wir es, zusammen zu sitzen und zu sehen, wie Israelis versuchen, die deutsche Volksfestkultur nachzuahmen. Hier und da gab es Frauen, die in improvisierten Dirndln herumspazierten, im Internet angepriesene deutsche Würstchen entpuppten sich als koschere Chorizo (die also kein Schweinefleisch enthalten) und in der Landschaft der 150 verschiedenen Biere erwischten manche von uns auch Biere, die ganz und gar nicht dem deutschen Reinheitsgebot entsprachen, sondern fürchterlich gepanscht waren.
Ein lauter "Umzug" zur Bar-Mizwa am Zionstor direkt neben
der Dormitio.

Wie ihr sehen könnt, hat sich diese Woche einiges getan. Ich hoffe, das Spiel war für euch genauso spannend wie für mich als Aktiver. Man darf gespannt sein, was die neue Woche mit sich bringt...
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und melde mich bald wieder.

Schabbat Schalom, euer,
Martin

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