Montag, 3. September 2012

Briefe an den Vater...

Weil schon andere mit dieser Art Text berühmt wurden, versuche ich es auch einmal. Lesen dürfen es trotzdem alle und ihre Klischees bestätigen.


Lieber Papa,

ich weiß, ich habe jetzt schon seit über einer Woche nicht mehr in meinem Blog etwas von mir hören lassen. Das tut mir auch wirklich leid, aber ich musste an der Universität ein Projekt über fünf Seiten schreiben, in dem es um Namen ging. Unter anderem sollte man auch die Frage beantworten, wieso man selbst gerade diesen Namen hat und nicht irgendeinen anderen. Ich habe geschrieben, dass ihr mich "Martin" nanntet, weil ich schon als Kind so furchteinflößend war, dass jeder andere Name, der nicht von einem Kriegsgott kommt, unpassend gewesen wäre. Das war doch richtig oder? Nicht? Achso...

Wieso ich eigentlich schreibe ist eine Weisheit, die du mir von frühester Kindheit mitgegeben hast und an die ich mich in der Zeit nach dem letzten Blogeintrag mehrfach erinnert habe:

Schwäbisch isch d'Weltsproch

Milch ist lecker und gesund. Ein kleiner Beweis
für unsere noch nicht vollendete Kehrwoche.
Beispiel Nr.1: Nach einem Vortrag in der Dormitio gesellt sich der Referent zu der Gruppe, in der ich stand und fragt nach unseren Namen. Obwohl er "Martin" (natürlich schwäbisch ausgesprochen) erst als "Patrick" verstand, hat er "Kächele" gleich verstanden. Auf die Aussage hin, dass ich zuletzt in Tübingen studiert habe, meinte er: "Ja, da lehren die Professoren besonders gerne. Da lesen die Studenten nämlich noch ganze Bücher - weil sie nicht so viel Ablenkung haben." Die schöne schwäbische Provinz also, wo der Student noch seiner von der Natur bestimmten Aufgabe nachgeht. Bald entfernte sich der Referent von unserer Gruppe, aber stieß ca. eine halbe Stunde später wieder dazu - mit den Worten: "Sagen Sie mir bitte nochmal Ihren Namen, ich weiß nur noch, dass er auf 'ele' endet."
Beispiel Nr.2: Mein Mitbewohner Biff lernt auch nach und nach die wichtigen Vokabeln ("gschwend", "billig", "obacha"...), so dass ich hier bestimmt auch bald ohne hochdeutschen Akzent reden kann.
Auch sonst setzt sich langsam der schwäbische Charakter in der Jaffa Street durch. Auf dem Markt werden die Schnäppchen so lange gejagt, bis sie am günstigsten sind. Was heute nicht gegessen wird, gibt's morgen eben nochmal. Wenn es kein Wasser mehr hat, wird halt Tee gekocht und wenn es einen Empfang gibt, dann haut man dort natürlich ordentlich rein. Höchstens an der Kehrwoche müssen wir noch ein bisschen arbeiten...


Ein riesen Fescht in der Jaffo Street mit einem Ausschnitt der Gegensätze
der Stadt.
Ach ja und da ist dann noch so einiges, dieser Stadt, was es zum Beispiel bei anständigen Schwaben nicht geben würde. Das fängt schon mit dem Bierpreis in der Wirtschaft für umgerechnet 4 Euro an - das würde ja keiner kaufen. Etwas anderes war zum Beispiel das Straßenfest hier in der Jaffo Street. Während es beim Böhringer Dorfhock halt ein Festzelt mit Blasmusik gab, wurden hier ein DJ, eine Reggae-Band und eine Rock-Band eingeladen, die an drei verschiedenen Orten ihr bestes gaben. Auch die religiösen Juden ließen sich ein Tänzchen zu bestem Rock nicht nehmen. Ziemlich cool. Dafür gab es eben auf dem Dorfhock auch Maultaschen und Kartoffelsalat und hier? - Bier (Natürlich für zwischen 4 und 5 Euro). 

So. Jetzt ist mein selbstgesetztes Limit 20 Uhr erreicht und ich muss mich wieder den Hausaufgaben für morgen widmen. Aber des mach mer gschwend :-) 

Bis bald wieder, viele Grüße,
dein Martin

P.S.: Der Preis für die erste Postkarte nach Jerusalem geht nach Oberschwaben. Ich mache mich demnächst ans Schreiben!

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