"Wenn Blätter von den Bäumen stürzen, die Tage täglich sich verkürzen,...", so wusste schon Heinz Erhardt, dass es bald Winter wird. So weit sind wir zwar hier noch nicht ganz, aber inzwischen kann es schon sein, dass man nachts auf einmal aufwacht und friert. Die Tage verkürzen sich seit gestern besonders, weil auch hier wieder auf die Winterzeit umgestellt wurde und wir dadurch jetzt wieder zeitgleich zu Deutschland sind. Da wird also so langsam ein Warm up nötig.
Andererseits hatte ich vergangene Woche auch schon ein tolles Warm up und Training auf die sprachkursfreie Zeit, die seit heute angebrochen ist. Das Ganze fühlt sich nicht nur wie eine Neugeburt an, sondern stellt einen vor bisher nicht dagewesene Fragen: "Was soll man heute Mittag machen?", "Welche Bücher habe ich zum Lesen da?", "Wo fange ich an, das Lernchaos zu beseitigen?" und noch viele mehr.
Willkommen in Holland. Ach nein, das ist Windmühle von Mischkenot Sheananim, dem ersten Stadtviertel außerhalb der Altstadt. |
Trotzdem gab es vergangene Woche für mich während der "Neujahrsferien" einen Vorgeschmack, was diese Freiheit bedeutet. Der Verein "Studium in Israel e.V." bietet neben unserem Studienprogramm auch immer wieder Fortbildungen für Pfarrerinnen und Pfarrer aus verschiedenen Landeskirchen an - ja, das war jetzt der Werbeblock - und wir Studierende hatten vergangene Woche die Möglichkeit, zu einem Pastoralkolleg einiger Pfarrer aus Kurhessen-Waldeck zu stoßen. Thema waren die Texte rund um die Neujahrsliturgie und die Bindung Isaaks. Besonders die Lektüre von sogenannten Midraschim machte mir unheimlich Spaß. Midraschim sehen so aus, dass sie eine biblische Geschichte zur Grundlage haben und diese Geschichte durch eine "Erweiterung" deuten. Diese Texte sind meistens 1000 Jahre oder älter und wurden von Rabbinern in diesen Zeiten geschrieben. Nachmittags standen dann noch moderne Gedichte, die das Motiv der Bindung Isaaks bewusst beinhalten auf dem Programm. Besonders im Israel der 60er und 70er-Jahre sprach dieser Text viele Eltern und Familien an, die ihre Söhne und Töchter zum Militärdienst in unvorhersehbare Gefahren ziehen lassen mussten.
Am Samstag sollte dann eigentlich Lernen auf dem Plan stehen, aber Martin Vahrenhorst, unser Studienleiter hier, lud uns zu einer Exkursion des Pastoralkollegs in die Davidstadt ein. Dadurch, dass Martin uns fachkundig durch die Ausgrabungen führte, erkannte ich auch wesentlich mehr als beim letzten Mal - und kam, ganz nebenbei, auch ohne tiefgehende Verletzungen wieder heraus. Das ist doch auch schon etwas wert...
Alte Steine - Neue Steine. Die angebliche Mauer des Davidspalasts und das Viertel Silwan gegenüber. |
Auf dem Bild nebenan kann man sehen, wie politisch brisant diese Ausgrabung ist. Das alte Jerusalem, vielleicht aus der Zeit Davids (laut manchen Israelis natürlich ganz sicher) und das gegenwärtige Jerusalem unter anderem mit arabischer Bevölkerung, die sich immer wieder wegen Ausgrabungen um ihre Häuser Sorgen machen müssen. Beispielsweise versuchte die israelische Regierung vor wenigen Jahren für einen "archäologischen Pfad" ca. 80 Häuser in Silwan ohne Weiteres abzureißen. Der bestimmte Einsatz von Hillary Clinton verhinderte es zunächst, aber dennoch stehen diese Pläne heute noch im Raum. So können 3000 Jahre alte Steine auch heute noch für gewaltige Brisanz sorgen.
Ihr seht, mein Warm up und mein Training für die freie Zeit hier ist schon bestens angelaufen. Heute Nacht steht um 3 Uhr ein Besuch in der Synagoge an, weil die Juden zwischen Neujahr und Jom Kippur am Mittwoch eine Art Bußzeit haben. Über Jom Kippur gibt es dann im nächsten Blogeintrag sicher viel zu berichten. Außerdem findet am nächsten Samstag eine Exkursion mit Prof. Vieweger in den Norden nach Megiddo und Caesarea maritima statt. Der Stoff für die nächsten Einträge wird garantiert nicht knapp.
Bis dahin mit einem Blick über das Hinnomtal auf die Altstadt grüßt euch lieb,
euer
Martin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen